Bordelektrik Teil 2 - Anmerkungen Michael Herrmann • KlabauterKiste

Bordelektrik Teil 2 – Anmerkungen Michael Herrmann

Michael Herrmann ist anerkannter Experte für technische Anlagen auf Sportbooten. Er hat sich als Autor beim Palstek einen Namen gemacht und mehrere Bücher zum Thema Yachttechnik geschrieben, unter anderem das Standardwerk „Elektrik auf Yachten“. Seit 2017 betreibt er die Seite Yachtinside.de. Mitglieder der Seite haben Zugriff auf eine Vielzahl an tiefgreifenden Artikeln über technische Anlagen auf Yachten.

Im folgenden Kommentar geht Michael Herrmann auf mögliche Gefahren von Gleichstromsystemen an Bord ein und gibt einige Anmerkungen zu unserer Serie zum Thema Bootselektrik. Im Laufe der Überarbeitung der Artikel werden wir diese einfließen lassen.

Anmerkungen zur Bestandsaufnahme

Grundlagen der Absicherung

Zunächst einige grundlegende Anmerkungen zu den Schaltungen von Manfred Kosthorst: Hier wird nicht nach dem Kriterium „Leitungsschutz“, sondern zu einem großen Teil nach „Geräteschutz“ oder einer Mischung aus beiden abgesichert.

Bei Leitungsschutz wird die Bemessung des Sicherungsorgans (Sicherung, Schutzschalter) ausschließlich nach der Strombelastbarkeit des angeschlossenen Leiters vorgenommen. Heißt: Ist zwischen Verteilung (Sicherung, Schutzschalter) und Verbraucher ein Kabel mit einem Querschnitt von 1,5 mm² verlegt, wird – nach DIN EN ISO 10133 – mit einem Bemessungsstrom von 12 Ampere abgesichert. Bemessungsstrom heißt nicht, dass die Sicherung oder der Schutzschalter bei diesem Strom – hier 12 Ampere – abschaltet, sondern dass das Schutzorgan diesen Strom sicher leiten kann, ohne auszulösen. Erst, wenn dieser Strom überschritten ist, löst das Schutzorgan aus, und zwar um so schneller, je größer der Strom ist. Bei Strömen über dem 10-fachen Bemessungsstrom („Kurzschluss“) dauert das Millisekunden, bei geringen Überschreitungen des Bemessungsstroms kann das mehrere Minuten dauern.

Wird nach dem Kriterium „Geräteschutz“ abgesichert, richtet sich der Bemessungsstrom – und streng genommen auch die Auslösecharakteristik – danach, was das an dem Kabel angeschlossene Gerät an Strom „erhalten“ darf. Das führt dann dazu, dass das Kabel zum Topplicht, das aus Gründen des für Positionslaternen zulässigen Spannungsabfalls von 3 Prozent mit einem 2,5-mm²-Kabel versorgt wird, mit 4 Ampere abgesichert wird.

Würde nach Leitungsschutz abgesichert, wäre der Bemessungsstrom 17 oder, je nach Kabeltyp, 25 Ampere. Wird das Prinzip „Geräteschutz“ bereits in der Verteilung angewendet, würde dies daher nach kurzer Zeit dazu führen, dass ohne detaillierten Schaltplan niemand mehr wüsste, welche Querschnitte denn nun zu den Verbrauchern verlegt wurden. Dies ist vor allem dann lästig, wenn stärkere oder zusätzliche Verbraucher angeschlossen werden sollen, zum Beispiel stärkere Bilgenpumpen – man müsste jedesmal vorher messen, welchen Querschnitt das Kabel aufweist.

Bei der Auslegung nach „Leitungsschutz“ hingegen kann man davon ausgehen, dass das Kabel dem Bemessungstrom der Absicherung entspricht. Dies ist der Hauptgrund, weshalb heute in der Regel nach dem Leitungsschutz-Prinzip abgesichert wird.

Dazu noch ein Beispiel: In dem Kapitel „Schaltplan der Anordnung der Verbraucher an Bord“ im dritten Teil wird zum Beispiel die Zuleitung zur Verteilung an der Batterie mit 30 A abgesichert. Der Leiterquerschnitt beträgt hier 16 mm², könnte also mit mindestens 54 Ampere (90 Ampere bei einem 70-Grad-Leiter) belastet werden. Kommen nun diverse Geräte zur Elektroanlage hinzu – der normale Vorgang an Bord –, spricht bald die 30-Ampere-Hauptsicherung an, ohne dass eine Überlastung oder ein Fehler vorliegen. Wäre hier eine nach Leitungsschutz dimensionierte Sicherung eingesetzt, wüsste man, dass, wenn diese auslöst, der angeschlossene Leiter ausgetauscht werden muss, da dieser überlastet ist – was bei 30 Ampere natürlich nicht der Fall wäre.

Generell gilt: Der Mindestquerschnitt beträgt 1 mm², in Mantelleitungen mit mehreren Leitern darf bis 0,8 mm² verwendet werden.

Gemischte Absicherung

In einigen Schaltungen schlägt Manfred Kosthorst vor, Stromkreise hinter dem eigentlichen Schutzschalter in mehrere Unterstromkreise aufzuteilen, die dann – aus Kostengründen – durch Schmelzsicherungen abgesichert werden. Das soll letztlich zudem dazu führen, dass, wenn zum Beispiel von allen Salonleuchten, die durch einen gemeinsamen Schutzschalter abgesichert wären, nur die ausfiele, die schadhaft wäre, weil dann ja deren Schmelzsicherung zuerst ansprechen würde.

Das funktioniert in der Regel nicht.

Flachstecksicherung

Flachstecksicherungen gibt es mit Bemessungströmen von 1 bis 40 Ampere. Sie sind farbcodiert, blau entspricht hier zum Beispiel 15 A. Die Auslösecharakteristik wird allgemein mit „träge“ angenommen.

Dazu muss man ein wenig ausholen: Jede Sicherung und jeder Schutzschalter hat eine eigene Zeit-Strom-Auslösekennlinie. Zudem werden Sicherungen und Schutzschalter in unterschiedliche Auslöseklassen eingeteilt, z.B. F für „flink“, also schnelle Auslösung, oder „T“ für „träge“. Flachstecksicherungen aus dem KFZ-Bereich kommen in der Regel als „träge“, und wie die Thermische Auslösung des vor- geschalteten Schutzschalters ausgelegt ist, wissen wir nur in den wenigsten Fällen genau – es besteht also eine gute Wahrscheinlichkeit, dass diese schneller auslöst als die träge Schmelzsicherung. Soweit zur Auslösezeit. Der zweite Faktor ist der Auslösestrom. Um bei entsprechenden Auslöseströmen eine wirkungsvolle Selektivität zu erreichen, müssen die Bemessungsströme bei gleicher Auslösecharakteristik mindestens zwei Nennstufen – also um das 1,6-fache – auseinanderliegen, und, wie oben bereits erwähnt: Das dem Fehlerfall am nächsten liegende Schutzorgan muss am schnellsten schalten.

Geräteschutzsicherungen (Feinsicherungen, Glasrohrsicherungen, rechts) gibt es für Bemessungsströme zwischen 0,032 bis 20 Ampere und werden hauptsächlich für den Geräteschutz eingesetzt. Es gibt fünf Auslösecharakteristiken, die in die Metallkappe eingeprägt sind: FF, F, M, T und TT. F („flink“) schaltet in weniger als 20 Millisekunden, während T („träge“) immerhin zwischen 100 und 300 Millisekunden braucht (jeweils bei 10-fachem Nennstrom).

Das dürfte in den meisten Fällen nicht gegeben sein. Ergebnis: Je nach Überstrom- oder Kurzschlusssituation löst entweder nur der (schnellere) vorgeschaltet Schutz- schalter aus, oder beide – Schutzschalter und Schmelzsicherung – oder, bei sehr hohen Kurzschlussströmen – eine weiter vorgelagerte Sicherung. Folge: In der Regel muss man suchen. Bei Einhaltung der Selektivität hingegen schaltet immer nur ein Schutzorgan ab. Besser und vor allem sicherer wäre die – allerdings etwas teurere Lösung –, alle Verbraucher beziehungsweise deren Versorgungsleitungen separat abzusichern oder diese in sinnvolle Gruppen einzuteilen und selektiv abzusichern.

Ach so: Unter Selektivität von Sicherungen versteht man, dass, wenn mehrere Schutzorgane in Serie geschaltet sind, nur jenes abschaltet, das dem Fehlerfall am nächsten liegt, damit im Fehlerfall nicht die ganze Anlage abgeschaltet wird.

Die drei Systeme

Es gibt drei grundsätzlich unterschiedliche Systeme. Diese unterscheiden sich in der Art der Erdung.

  1. Es werden nur positive Leiter verlegt, als Minusleiter wird der (metallische) Rumpf verwendet. Der Rumpf ist zwangsläufig geerdet (er schwimmt im Wasser!), das heißt er ist nicht nur Erde, sondern auch ein betriebstrom- führender Leiter. Spart 50 Prozent Kabel, kann aber den Rumpf kosten (Stichwort „Elektrolytische Korrosion“) und ist daher nicht mehr zugelassen.
  2. Hier werden Plus und Minus in eigenen Leitern (Kabeln) geführt, von denen der Minuspol des Systems (meist der Minuspol der Starter- oder Bordnetzbatterie) mit der „Erde“ verbunden ist. Dieses System heißt „Zweipoliges System mit Minus an Masse“ und ist das am weitesten verbreitete.
  3. Hier ist weder Plus noch Minus mit Erde verbunden. Daher der Name: „Vollständig isoliertes System“.

Die wesentlichen Auswirkungen beziehen sich such hier auf die Absicherung. In Systemen mit Minus an Masse brauchen nur die positiven Leiter abgesichert zu sein, die Minusleiter können ohne Sicherungsorgane verlegt werden. In vollständig isolierten Systemen müssen beide stromführenden Leiter abgesichert sein, also auch die Minusleiter – noch ausgenommen der Minus-Batterieanschlüsse, die dürfen noch ein paar Jahre ohne Sicherung auskommen.

Diese Vorschrift ist für viele Land- und KFZ-Elektriker nur schwer nachzuvollziehen und wird oft ignoriert. Nur soviel: Wenn in einem vollständig isolierten System nicht zweipolig abgesichert wird, benötigt man nur zwei Fehler, um das Schiff in Brand zu setzen.

Erdung laut Norm: Beabsichtigte oder unbeabsichtigte Verbindung mit dem das Schiff umgebende Wasser. Ist in diesem Fall identisch mit „Masse“.

Absicherung und Selektivität

Absicherung nach Leitungsschutz

Bei dieser Anlage richtet sich die Absicherung bis zum Gerät ausschließlich nach dem Leitungsschutz. Die 100-Ampere-Hauptsicherung (muss innerhalb von 200 Millimeter von der Batterie angebracht sein) ist auf die 50 Quadratmillimeter zur Verteilung bemessen. In der Verteilung ist ein 12-Ampere-Schutzschalter vorgesehen, der zum einen den 1,5-Quadratmillimeter-Leiter zum Gerät absichert und mit dem gleichzeitig das Gerät ein- und ausgeschaltet wird. Das Gerät ist mit einer passenden Gerätesicherung abgesichert, die aber mit Leitungsschutz nicht zu tun hat. Vorteil dieser Anordnung: Das Gerät kann – mit seiner Gerätesicherung – durch ein anderes – stärkeres – ausgetauscht werden, ohne dass an der Stromversorgung etwas geändert werden muss.

Hier wurde der Schutzschalter in der Verteilung zusätzlich durch eine Schmelzsicherung ergänzt, die jedoch nicht auf die Belastbarkeit des Leiters, sondern auf den Geräteschutz abgestimmt ist. Während in der oben gezeigten Schaltung bei einem Fehler im Gerät tatsächlich aller Wahrscheinlichkeit nur die Gerätesicherung ansprechen würde (der „Abstand“ zwischen den Bemessungsströmen der einzelnen Schutzorgane ist überall größer als die geforderten 2 Klassen), können unten – je nach Über- oder Kurzschlussstrom – entweder die Gerätesicherung, die Schmelzsicherung, der Schutzschalter in der Verteilung oder eine beliebige Kombination der drei Organe ansprechen – die Selektivität ist nicht gegeben; Im Endeffekt führt das nicht zu größerer Betriebssicherheit, sondern – besonders in sicherheitsrelavanten Stromkreisen – zu mehr Unsicherheit bei der Fehlersuche, weil jedes Sicherungsorgan auf mehrere Ursachen ansprechen kann. Es sei denn, man kann tatsächlich die Sicherungsorgane so auswählen, dass die Ansprechcharakteristiken so aufeinander abgestimmt sind, dass tatsächlich in jedem Fall nur das dem Schaden am nächsten gelegene Element auslöst. Was hier praktisch unmöglich ist, oben jedoch durch die weiter auseinander liegenden Bemessungsströme quasi automatisch gegeben ist.

Zweipolige Absicherung

In diesem System gibt es keine Erdung – es handelt sich um ein sogenanntes „vollständig isoliertes System“. Dies wird gerne auf Stahl- und Aluschiffen eingesetzt, um elektrolytische Korrosion zu verhindern. Der Minuspol der Batterie ist daher nicht mit Erde verbunden – folglich müssen Plus- und Minusleiter als gleichwertige stromführende Leiter betrachtet werden. Daraus ergibt sich – alleine wegen der Logik –, dass beide Leiter dann auch mit Überstrom- und Kurzschlusssicherungen ausgestattet sein müssen. Dargestellt ist hier eine zweipolige Absicherung, sogar an der Batterie, was zur Zeit noch nicht vorgeschrieben ist. Um die Notwendigkeit einzusehen – was vielen gestandenen Elektrikern schwer fällt –, ein kleines Gedankenexperiment: Nehmen wir an, wir haben nur die Plusleiter abgesichert. Nun scheuert sich das Minuskabel des Tankgebers am Dieseltank an einer scharfen Kante auf – die Isolierung ist durch, und der Leiter hat Kontakt mit dem Tank, der aus nicht rostendem Stahl geschweißt ist. Merkt aber keiner, weil alles weiter funktioniert. Nun löst sich eines fernen Tages an der Lichtmaschine ein dickes Plus-Kabel ab, das mit 100 Ampere abgesichert ist, und landet mit dem Kabelschuh auf dem Motorfundament. Frage: Was geschieht nun mit dem nicht abgesicherten 1-mm²-Kabel zum Kraftstoffgeber im Tank, der mit dem Motorfundament leitend verbunden ist? Genau! Das ist nur einer der Gründe!

   


Vielen Dank an Michael Herrmann für diesen qualifizierten Beitrag! Wenn ihr auch Kommentare oder Verbesserungsvorschläge zur Bordelektrik-Serie habt: Schreibt uns!

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