Nicht nur für Selbstbauer, sondern auch für Bootsbesitzer, die eine Neumotorisierung planen, stellt sich die Frage, ob es ein "spezieller" Bootsdiesel sein muss, oder ob man nicht einen Fahrzeugdiesel (selber) marinisieren sollte.
Nicht zuletzt basieren fast alle gängigen Bootsdiesel sowie auf (vom Hersteller marinisierten) Fahrzeug- bzw. Baumaschinenmotoren. Vetus und Sole Mini Motoren z.B. kommen von Mitsubishi, Beta Marine und Nanni Motoren basieren auf Dieseln von Kubota.
Unterschiede zwischen Fahrzeug und Bootsdiesel
Was genau unterscheidet einen Dieselmotor aus einem Fahrzeug von einem Bootsdiesel? Auf den ersten Blick gar nicht so viel. Die Herausforderungen bei der Marinisierung liegen vor allem in zwei Punkten: die Kühlung des Motors und des Abgassystems und die Kraftübertragung auf die Propellerwelle.
Für ersteres gibt es die Möglichkeiten der Einkreis- oder Zweikreiskühlung mit Seewasser, welches dann nach dem Abgassammelrohr eingespritzt wird und so den Auspuff kühlt und gleichzeitig schalldämpfend wirkt. Das setzt allerdings die Montage einer Seewasserpumpe voraus. Alternativ ist bei Stahlschiffen auch die Kühlung über die Außenhaut möglich, was aber unweigerlich einen hohen Aufwand für das trockene Auspuffsystem nach sich zieht.
Für die Kraftübertragung auf den Propeller ist in der Regel ein Getriebeanschlussgehäuse ("Glocke"), ein geeignetes Wendegetriebe mit auf den Schiffs- und Motortyp angepasstem Übersetzungsverhältnis und eine Dämpfungsplatte für die Kraftübertragung vom Motor zum Getriebe nötig.
Neben diesen Hauptbestandteilen sind noch weitere "Kleinteile" wie ein Ölkühler, diverse Rohrleitungen, spezielle, gegen Ausreißen gesicherte Schwingelemente und so weiter nötig.
Zum Glück muss man das nicht alles selber bauen. Es gibt fertige Marinisierungskits für eine ganze Reihe an KFZ-Dieseln. Diese Kits erlauben einen Umbau mit relativ wenig Aufwand. Trotzdem sind häufig noch eine Reihe an Schritten nötig, die individuell von der Situation abhängen. Darum stellt sich die Frage, wann und für wen so ein Projekt Sinn macht.
Für wen macht eine Marinisierung eines Fahrzeugmotors Sinn?
Wie bei vielen Fragen beim Bootsbau oder Refit hängt die Entscheidungen von einer Reihe Faktoren ab. Nicht zuletzt ist die persönliche Motivation und Einstellung des Eigners entscheidend. Wir geben im Folgenden eine kurze Übersicht der Vor- und Nachteile der Marinisierung von Dieselmotoren.
Vorteile der Marinisierung
Ein wichtiger Punkt, der häufig angeführt wird, sind die Kosten. Wenn ein guter KFZ-Gebrauchtmotor (z.B. aus einem Unfallschaden) verwendet wird, kann man bei einer Marinisierung in Eigenregie mehrere tausend Euro sparen. Insbesondere bei leistungsstarken Motoren sind Einsparungen von bis zu 50% möglich. Hinzu kommt die einfache und günstige Ersatzteilversorgung bei gängigen KFZ-Motoren, selbst in abgelegenen Gebieten.
Durch die hohen Stückzahlen, die je nach Modell in die Millionen gehen, kann man davon ausgehen, das Automotoren im Allgemeinen ausgereifter sind als Bootsmotoren von denen häufig nur einige tausend Stück produziert werden.
Nicht vergessen sollte man außerdem das gute Gefühl, etwas "selbstgemacht" zu haben. Und letztendlich ist es auch ein weiterer Aspekt guter Seemannschaft, sein Boot und seinen Antrieb so gut wie möglich zu kennen. Wer einen Motor selber marinisiert hat wird in der Regel deutlich weniger mit Maschinenausfällen zu kämpfen haben, da er Probleme entweder schon erkennt, oder sich, wenn sie denn auftreten, schnelll selbst zu helfen weiß.
Nachteile und Risiken beim Marinisieren
Ganz klar ist, dass das Marinisieren in Eigenregie nur in Frage kommt, wenn man bereit ist, sich intensiv mit der Materie zu beschäftigen und einige Zeit aufwenden will für Informationsbeschaffung, Planung und Durchführung.
Neben der Planung sollte man ein wenig handwerkliches Geschick und eine gewisse Erfahrung im Umgang mit Motoren haben. Schließlich geht man das Risiko ein, dass man durch Fehler in Planung und Umsetzung den Motor beschädigt oder gar zerstört.
Und schließlich benötigt man eine Werkstatt bzw. Arbeitsplatz, an dem man den Motorblock aufbocken und von allen Seiten gut erreichen kann. Was das Werkzeug angeht kommt man dagegen mit einer Grundausstattung an Schraubenschlüsseln, Zangen und Hammer aus. Je nachdem ist zusätzlich noch ein Lötbrenner erforderlich.
Kurzübersicht
Marinisierung: Vor- und Nachteile
Vorteile
Nachteile
Fazit
Wer Zeit hat, Geld sparen will und ein wenig handwerkliches Geschick mitbringt, für den kann eine Marinisierung ein lohnenswertes und sehr zufriedenstellendes Projekt sein. Wer sich lieber nicht mit Details beschäftigen will und möglichst schnell aufs Wasser will der sollte lieber die Finger davon lassen.
Buchtipp: Marinisierung - Vom Fahrzeugmotor zum Bootsantrieb
Wer den Schritt zur Marinisierung eines Fahrzeugmotors erwägt (oder auch einfach mehr über Bootsmotoren lernen möchte), dem sei das ausgezeichnete Buch zum Thema Marinisierung von Michael Herrmann ans Herz gelegt. Das reich bebilderte Fachbuch gibt es mittlerweile in neuer Auflage als E-Book direkt beim Autor:
Im Buch beschreibt der bekannte Bootstechnik-Experte ausführlich auf 123 Seiten, worauf es bei der Marinisierung ankommt. Die behandelten Themen reichen von geeigneten Motortypen, für die Umrüstsätze erhältlich sind, über die Vor- und Nachteile verschiedener Kühlsysteme, die Wahl und den Einbau des Getriebes bis zur Montage der Umbausätze und der erforderlichen Motorelektrik und dem Probelauf.
Das Buch ist ein Muss für jeden, der eine Umrüstung erwägt. Aber auch interessant für Bastler, die ihren Bootsdiesel besser verstehen möchten.
P.S.: Michael Herrmann bietet Mitgliedern auf seiner Seite YachtInside eine ausführliche Bibliothek an Fachartikeln zu sämtlichen technischen Fragen an Bord. Es lohnt sich. (Bonustipp: Wenn du dich auf BootsBastler.org registrierst gibt es exklusiv 15% Rabatt auf die Mitgliedschaft bei YachtInside...)