Zum Glück muss man sie nicht so oft tauschen, aber wenn, dann ist es bei manchen Booten mit erheblichem Aufwand verbunden – die Ruderlager. Schon seit einigen Monaten bemerken wir auf unserer Sadler 34 „Wanderling“ auf spitzen Kursen ein stärker werden Klackern in der Pinne, das vorher nicht da war.
Recht schnell wird klar, dass die Ruderlager die Ursache sind und diese wahrscheinlich schon sehr lange nicht mehr gewechselt wurden.
Wir befinden uns auf Carriacou, einer kleinen Karibikinsel in den Windward Islands. Ein sehr schöner Ort, um das Leben in den Tropen in vollen Zügen zu genießen. Für komplexere Refitprojekte würde ich nächsten Mal allerdings einen anderen Standort wählen…
Ausbau von Ruder und Skeg
Nach Recherche in einigen Sadler Foren wird klar: man kann das Ruder nicht allein ziehen, das geht nur zusammen mit dem Skeg. Der Grund dafür ist, dass beide Profile oben viel breiter sind als unten und eng ineinander greifen.
Zunächst müssen wir ein Loch graben, damit Skeg und Ruder weit genug nach unten gezogen werden können, bis die Ruderwellle ganz aus dem Rumpf heraus ist. Der Skeg ist anlaminiert, geklebt und verbolzt. Also kommt die Flex zum Einsatz. Die Dichtmasse zwischen Skeg und Rumpf müssen wir mühsam mit einem Messer entfernen, denn es bewegt sich immer noch nichts, obwohl alle Bolzen gelöst und die Winkellaminate entfernt sind. Nach zwei Tagen Arbeit gelingt uns (unter Einsatz dosierter Gewalt) schließlich der Ausbau. Zum Glück habe ich bei diesen Arbeiten Hilfe von meinem Vater. Alleine hätte ich das nicht schaffen können in der Kürze der Zeit.
Zwei der Kunststoff-Gleitlager sind im Ruderkoker eingepresst. Mit einer Gewindestange, einem Abzieher und etwas Kreativität gelingt es uns, diese abzuziehen.
Der Ruderschuh ist aus Messing und am Skeg verbolzt. Die Bolzen sind seit wahrscheinlich 40 Jahren an Ort und Stelle und bewegen sich trotz aller Tricks keinen Milimeter. Einen passenden, sehr großen Schlitzschraubenzieher bekomme ich auf der ganzen Insel nicht, trotz intensiver Suche. Also arbeite ich einen Stechbeitel mit dem Winkelschleifer um. Leider kommen wir damit auch nicht weiter. Das ist wirklich ein Problem, denn das alte Bronzelager ist so eingepresst, dass man es nicht abziehen kann. Der Messingschuh ist nämlich unten geschlossen um das Lager. Also muss das Lager ausgebohrt werden, was ich gern in Deutschland an einer guten Tischbohrmaschine erledigt hätte. Ich bin ratlos. In zwei Tagen geht unser Rückflug nach Deutschland. Es wird irgendwie anders gehen müssen. Eine Aufgabe für Zukunfts-Matthias.
Neue Lager müssen her
Die neuen Lager lasse ich mir bei der Dreherei Stuth in Rostock aus POM herstellen. Vom unteren Lager lasse ich mir noch ein Weiteres drehen, da dieses am schnellsten wieder ablaufen wird und daher eine Reserve an Bord sein soll.
Die Monate vergehen und ich zerbreche mit den Kopf, wie ich den Ruderschuh vor Ort ausbohren soll. Schließlich bestelle ich einen hochwertigen Stufenbohrer und hoffe, dass ich es damit schon irgendwie hinbekommen werde.
Nachdem über einem halben Jahr sitzen wir wieder im Flieger und stehen bald darauf vor der etwas eingestaubten aber sonst wohlbehaltenen Wanderling auf der anderen Seite des Atlantiks.
Vorbereitung von Ruder und Skeg
Den Skeg hatte ich bis aufs Laminat heruntergeschliffen und zum Trocknen hingelegt. Jetzt bekommt er zwei Lagen Biaxmatte und Epoxy verpasst und wird anschließend noch mit Epoxyspachtel wieder glatt gemacht.
Die Ruderwelle wird von Luisa mit 1200er Nassschleifpapier gereinigt und geglättet. Die Bereiche auf der Höhe des mittlere und des unteren Lagers sind etwas abgelaufen. Das mittlere Lager pressen wir daher etwas tiefer ein im Ruderkoker, damit die Lagerfläche auf einem anderen Bereich der Welle laufen kann. Das obere Lager geht erst nicht rein. Ich schleife vorsichtig von Hand den Ruderkoker oben etwas glatt, dann geht das Lager stramm rein.
Das untere Lager kann in der Position nicht versetzt werden, daher haben wir es absichtlich zwei Zehntel enger drehen lassen, um die abgelaufene Ruderwelle auszugleichen. Das alte Bronzelager, welches noch das Original zu sein scheint und mittlerweile über 1mm Spiel hat, muss noch ausgebohrt werden.
Das gelingt mit dem Akkuschrauber und dem mitgebrachten Stufenbohrer – nach 3 Akkuladungen und mehreren Flüchen – erstaunlich gut. Das neue Lager geht gerade und straff rein. Mir fällt ein Stein vom Herzen! Meine Konstruktion ermöglicht es jetzt auch, dass das untere Lager beim nächsten Mal sehr einfach und ohne Ausbau von Ruder und Skeg getauscht werden kann. Dafür muss dann nur das Lager nach unten abgezogen werden.
Ich fertige noch einen zwei Distanzscheiben an. Die untere aus POM sitzt zwischen Ruder und Ruderschuh. Die obere Scheibe stelle ich aus Glas und Epoxy her. Diese wird zwischen Ruderkopf und Deck platziert. Die Stärke wähle ich so, dass ausschließlich die obere Scheibe beansprucht wird und abläuft, da diese viel leichter zu tauschen ist als die untere (dafür müsste der Skeg wieder ab, Gott bewahre!).
Einbau von Ruder und Skeg
Beim Einbau helfen uns Freunde vom Nachbarboot. Ruder und Skeg wiegen zusammen ca. 80kg, also wird das keine leichte Aufgabe. Luisa hat schon das Loch gegraben, damit wir die Ruderwelle wieder einführen können. Kurz und gut: Nach ca. 3 Stunden schweißtreibender Arbeit sind Ruder und Skeg wieder an Ort und Stelle. Die Dichtfläche haben wir mit 3M5200 Marine Dichtmittel ausgefüllt. Beim Anziehen der Bolzen drehen wir immer wieder das Ruder hin und her. Zieht man eine Seite zu stark an, wird das Ruder schwergängiger. Das ist nicht nur unschön beim Segeln, sondern lässt auch die neuen Lager wieder schneller ablaufen. Es gelingt uns, die richtige Position zu finden.
Am nächsten Tag wird die überflüssige Dichtmasse weggeschliffen und eine schöne, dicke Fuge aus Epoxyspachtel am Übergang gezogen. Darüber können wir dann schön laminieren. 3 Lagen der 450g Biaxmatte sollten locker reichen. In den folgenden Tagen spachteln und schleifen wir dann noch mehrere Durchgänge bevor der Primer draufkommt. Wir haben uns für das Farbsystem von International entschieden (hier in der Karibik unter dem Namen Interlux erhältlich). Erst 3 Schichten Interprotect, dann das Antifouling Fiberglass Bottomkote NT.
Wenn Ihr die ganze Aktion nochmal in Bild und Ton sehen wollt, schaut doch mal auf meinem Youtube Kanal vorbei:
Am Ende sieht alles so aus, als sei nie etwas gewesen. Wieder so eine Arbeit, die einfach anfällt, viel Mühe verursacht und bei der das Boot zum Schluss genauso aussieht wie vorher… Beim Segeln merken wir den Unterschied aber deutlich und für die nächsten zehn Jahre sollte Ruhe sein. Und danach kann man das untere Lager, welches mit Abstand am schnellsten ablaufen wird, mit wenigen Handgriffen tauschen. Es liegt sogar schon Ersatz in der Werkzeugkiste an Bord...