
Wer behauptet, die heutige Jugend würde nur noch vor dem Smartphone hängen, der sollte einmal im schweizerischen Bottighofen am Bodensee vorbei schauen. Dort arbeiten über 100 Jugendliche an einem spektakulären Selbstbau-Katamaran.
Nicht nur die Dimensionen des Schiffes sind beeindruckend, sondern auch die Umstände des Projektes. Denn der Bau wird nicht etwa von Profis durchgeführt oder von Hobby-Bastlern im Rentenalter, die sich einen Traum erfüllen wollen. Im Gegenteil: Die Koordinatoren sind fast alle unter 30 und die Helfer teilweise noch im Grundschulalter.
Die Jugend auf’s Meer bringen
Wie man auf so eine verrückte Idee kommt? Irgendwann war einigen Mitgliedern des Vereins “Jugendsegeln Steckborn” der Bodensee zu langweilig und die 470er zu klein. Also wurde kurzerhand ein neuer Verein gegründet: “Jugend Meersegeln / Ocean Youth Sailing”. Das Ziel: Jungen Menschen eine günstige Möglichkeit zu bieten, die Welt unter Segeln zu entdecken.
Um möglichst viele Kojen unterbringen zu können und gleichzeitig ein schnelles Schiff zu haben, war schnell klar, dass ein Katamaran die Anforderungen am besten erfüllt. Die Wahl fiel auf ein australisches Design, den Arrow 1360, gezeichnet von Schionning-Designs (hier gibt es ein Exposé zu dem Modell). Auf einer Gesamtlänge von 13,60 Metern finden 10 Kojen für die junge Crew Platz. Und mit nur 6,5 Tonnen Gewicht verspricht das in Balsa-GFK-Sandwich gebaute Boot, ein echter Renner zu werden.
Bau der Katamaran-Rümpfe
Die Basis des Selbstbau-Katamarans ist das Flat-Panel-Prinzip: Zu Beginn des Baus wurden mehrere Hundert vorgefertigte GFK-Sandwich-Platten mit Balsa-Kern von der Firma „von der Linden“ geliefert. In diese Platten sind die Formen der am Computer berechneten Bauteile bereits ausgefräst und müssen nur noch an den Stegen frei geschnitten werden. Die ausgesägten Teile werden dann mit Glasfasergewebe zu einer sehr leichten und extrem stabilen Konstruktion verbunden.
- Geliefert wird der Kat in vorgefrästen Flat-Panels.
- Die einzelnen Bauteile werden ausgesägt…
- …und an den Kanten für das Zusammenfügen vorbereitet.
- Nun kann das Puzzlespiel beginnen:
- Für die Plankengänge werden die Einzelteile mit GFK-Matten zusammenlaminiert.
- Mit dabei sind immer auch die jungen Vereinsmitglieder, die in Zukunft natürlich auch Teil der Crew werden.
- Ein Gerüst aus Mallen und Schotten wird errichtet…
- …und die Planken werden in Position gebracht.
- Nach einer punktuellen Fixierung…
- …werden die Fugen verfüllt…
- …mit dem Spachtel glatt gezogen…
- …und geschliffen.
- Nun kann das Harz angemischt werden.
- Die Glasfaser-Gewebe werden vorgetränkt…
- …und auf sämtliche Fugen aufgebracht.
- Sowohl im Inneren des Selbstbau-Katamarans…
- …als auch von außen.
- Das Koordinationsteam von Ocean Youth Sailing vor einem fertigen Rumpf.
- Neben dem Bauen ist eine wichtige Aufgabe, Besucher zu empfangen und Sponsoren zu finden.
- Die Halle wird nun zu klein zum Weiterbauen.
Die „Hochzeit“ der Rümpfe
In einem eigens aufgebauten Bauzelt werden die Rümpfe verbunden. Immer mit dabei sind die jüngsten Vereinsmitglieder, die bei dem Projekt eine Vielzahl nützlicher Fähigkeiten erwerben.
- Für den zweiten Bauabschnitt wurden die Rümpfe in ein Zelt verlegt.
- Nun kann das Brückendeck mit Deckshaus gebaut,…
- …und die Rümpfe entsprechend verbunden werden.
- Die Nähte werden verklebt…
- …und mit Laminat verstärkt.
- Auch hier sind die Jüngsten im Verein von Anfang an dabei…
- …und helfen tatkräftig mit.
- Der Querbalken am Bug wird in Form gebracht…
- …und mit Carbonfastern überlaminiert.
- Der Querbalken wird fest mit den Bugsektionen verbunden.
- Durch die CNC-vorgefrästen Bauteile passt alles auf den Millimeter genau.
- Hier wird später einmal das Trampolin gespannt.
- Die großen Flächen werden gespachtelt…
- …und mit dem Schleifbrett behandelt.
Strukturelle Elemente des Selbstbau-Katamarans
Der Katamaran ist in Leichtbauweise gebaut. Es wirken aber an einigen Punkten des fast 18 Meter hohen Riggs enorme Kräfte. Deswegen wird hier nicht an Material gespart, und zusätzlich zu den Berechnungen des Konstrukteurs kommt dem Team die Erfahrung des Bauleiters Lukas Ruppen zugute, der als Maschinenbau-Ingenieur in seinem vorherigen Beruf viel mit Faserverbundwerkstoffen zu tun hatte.
- Für die Püttings werden Glasfaserstreifen…
- …mit Harz getränkt.
- Die Fasern werden auf ein Schott laminiert…
- …im Bogen um eine Form an Deck.
- Nach dem Trocknen wird die hohe Materialstärke sichtbar. Hier reißt so schnell nichts heraus.
- Auch die Anschlagpunkte für die Vorsegel werden speziell verstärkt.
- Der Mastfuß besteht aus Massivholz und ist beidseitig an das Zentralschott laminiert.
Wer noch mehr wissen will findet hier Infos zum Bau des Catwalks und den Vorstag-Aufnahmen.
Bau der Ruderblätter und Schwerter
Bei Teilen, die hohen Belastungen ausgesetzt sind, kommen Hightech-Verfahren und -Materialien zum Einsatz, um Festigkeit und geringes Gewicht in Einklang zu bringen.
- Die Ruderblätter werden im Vakuum-Infusionsverfahren gebaut…
- …und für den Einbau vorbereitet.
- Vorher muss jedoch ein Loch gebuddelt werden um Platz für die Ruder zu haben.
- Die Schwerter bestehen aus einem Kern aus Red-Cedar and Divinicell.
- Sie werden mit Kohlefasergewebe…
- …unter Vakuum laminiert.
Hier gibt es Detail-Infos zum Bau der Schwerter.
Details an und unter Deck
Auch wenn man beim Bau der Rümpfe schnell Fortschritte sehen kann, so steckt ein Großteil der Arbeit in den kleinen Details. Doch auch hier liegt das Team bisher sowohl zeitlich als auch finanziell voll im Plan.
- Die Rundungen im Cockpit werden mit Formen verleimt…
- …und dann laminiert.
- So können auch kompliziertere Formen hergestellt werden.
- Zwischen den Rümpfen läuft ein (abnehmbarer) Kanal, der die Fallen vom Mast ins Cockpit führt.
- Die Details der Oberflächen werden mit Spachtelmasse verfeinert.
- Und die Luken werden in spezielle Rahmen in das Deck eingelassen.
- Um die Borddurchlässe werden Ringe aus angedicktem Epoxy eingelassen, um Feuchtigkeit im Balsa-Kern zu vermeiden.
- Unter Deck wird ebenfalls geschliffen…
- …und der Rohbau wird langsam…
- …zu bewohnbaren Kabinen.
- Einige Holzelemente werden in dem ansonsten nüchtern gehaltene Interieur Akzente setzen.
- Auch im Cockpit geht es voran mit der Schiene für den Traveller…
- …und einem Test der neuen Steuerräder.
- Auch die Deckhardware wird nun probeweise montiert.
Auszeichnung und Mediale Beachtung
Das Projekt hat mittlerweile ein gehöriges Maß an Aufmerksamkeit erregt, und auch ein Großteil der Materialkosten von 360.000 Schweizer Franken sind schon durch Spenden finanziert. Auch wurde das Projekt mit dem Swiss Sailing Public Award ausgezeichnet. Wenn ihr das Projekt finanziell, materiell oder mit Arbeitskraft unterstützen möchtet, meldet euch am besten direkt beim Verein.
Wie geht es weiter? Die Einwasserung ist im August geplant, und tatsächlich ist das Team noch im Zeitplan. Nach Testfahrten auf dem Bodensee soll der Katamaran über den Rhein ans Meer gebracht werden und in Zukunft für die Jugendlichen zur Verfügung stehen.
Wir werden euch in den KlabauterNews auf dem Laufenden halten und die Bilder von der letzten Bauphase und dem Einwassern hinzufügen, sobald es soweit ist.