Selfmade Autopilot für kleines Geld • KlabauterKiste

Selfmade Autopilot für kleines Geld

Ein leistungsfähiger und zuverlässiger Autopilot gehört zu den wichtigsten Teilen der Standardausrüstung jeder Langfahrtyacht. Und auch für kürzere Törns, vor allem wenn man mal allein oder mit kleiner Crew unterwegs ist, wollen heutzutage Viele auf den Luxus des „steuerfreien“ Segelns nicht mehr verzichten.

Die führenden Hersteller bieten hier breite Produktpaletten an, in denen sich für (fast) jedes Boot eine gute Lösung findet. Im Klabautershop bieten wir Euch die aktuellen Serien der Premiumhersteller Navico (Lowrance, B&G & Simrad) sowie Raymarine an. Diese Autopiloten werden seit Jahrzehnten optimiert und haben sich bewährt. Allerdings haben diese Anlagen natürlich Ihren Preis. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich Hersteller maritimer Ausrüstung Ihre Entwicklungen überdurchschnittlich gut bezahlen lassen. 

Der Pypilot

Auf meiner Reise entlang der US-Ostküste habe ich kürzlich Sean kennengelernt. Sean ist Weltumsegler, Programmierer, Elektronikfreak, Lebenskünstler und Tüftler mit Herz und Seele. Seit Jahren arbeitet er an Open Source Software für Autopiloten und hat mittlerweile auch eine beeindruckende Produktpalette mit der entsprechenden Hardware aufgebaut. Stolz demonstriert er mir eine beispielhafte Anlage aus Kurscomputer, Motorregler und Linearantrieb, die er auf seinem eigenen Boot verbaut hat und nutzt. Ich sitze im Cockpit seines kleinen Trimarans und kann nur stauen, wie man so etwas hier vor Anker, mit einfachsten Mitteln, selbst angeeignetem Fachwissen und jahrelangem „Try and Error“ zustande bringen kann. Unter Deck stolpere ich in seine Werkstatt mit 3D-Drucker, Lötstation, zwei Laptops und jeder Menge Materialen, Prototypen und Werkzeug. An Backbord befindet sich das Warenlager in Form von Pappkartons mit säuberlich sortiertem Inhalt. Da bleibt gerade noch Platz für eine kleine Koje an Steuerbord. 

Entwicklung, Fertigung und Versand erfolgen an Bord des Trimarans

Herzstück der Anlage ist der Kurscomputer „Tiny Pilot Computer“. Das Betriebssystem läuft auf einer RAM, schnell und stabil. Es gibt ein kleines Display, auf dem Daten angezeigt und Einstellungen vorgenommen werden können. Dazu gehören neben verschiedenen Autopilot Einstellungen auch Sprache und Display-Settings. Der Computer kann nach drei verschiedenen Modi steuern (Kompasskurs, GPS Kurs oder Windwinkel). Für das Steuern nach Windwinkel muss ein NMEA0183-fähiger Windsensor angeschlossen werden, der auch von einem Drittanbieter kommen kann.

Tiny Pilot Computer, Bedienpanel und Fernbedienung

Für die Steuerung des Computers gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum Standard-Lieferumfang gehört eine einfache Fernbedienung sowie ein kleines, kabelgebundenes Bedienpanel. Optional können ein kabelloses Bedienpanel und verschiedene andere Fernbedienungen bestellt werden, unter Anderem auch eine wasserfeste Variante. Auch mit dem Smartphone lässt sich der Computer steuern. Außerdem hat Sean ein PugIn für Open CPN entwickelt, mit dessen Hilfe sich der Pilot Computer auch über diese Software am Laptop steuern, konfigurieren und kalibrieren lässt. 

Steuerung, Einstellung und Kalibrierung des Kurscomputers sind auch mit dem Open CPN PlugIn möglich

Smartphone Steuerung: Track Mode

Optimierung des Steuerverhaltens am Smartphone

Smartphone Steuerung: Compass Mode

Auch Wenden ist am Smartphone möglich

Der Tiny Pilot Computer spricht einen Motorregler an. Hier hat Sean drei verschiedene Leistungsklassen im Programm:

  • Pypilot Controller bis 7A und 12V
  • Mid Power Controller bis 15A und 12/24V
  • High Power Controller bis 30A und 12/24V

Drei verschiedene Motorregler stehen zur Auswahl

Für den Antrieb gibt es viele verschiedene Möglichkeiten. Linearantriebe und Hydraulikpumpen kommen infrage. Einige Kunden nutzen auch einfach einen Scheibenwischer Motor und bauen den Rest selbst. Sean hat viele Anlagen mitgeplant und schlägt gern zum jeweiligen Boot passende und preisgünstige Antriebslösungen von Drittherstellern vor. 

Der Pypilot ist sicherlich (noch) nicht das Richtige für Jemanden, der mit Bastellösungen nichts zu tun haben möchte und einem Gerät nur vertraut, wenn es über ein schickes Finish und das entsprechende Markenemblem verfügt. Wer sich aber traut, ein bisschen selbst zu tüfteln und unkonventionelle Lösungen mag, der kann sich aus diesen Komponenten schon für unter 400€ einen sehr leistungsfähigen und individuell passenden Autopiloten an Bord holen. Viele Kunden von Sean haben damit schon Ozeane überquert und sind sehr zufrieden.

Hier könnt ihr die Komponenten erwerben:
pypilot.org
openmarine.net

Falls der Pypilot für Euch gerade nicht interessant ist, Ihr aber Sean und seine Arbeit trotzdem ein bisschen unterstützen möchtet, könnt ihr ihm auf pypilot.org zum Beispiel auch eine kleine Spende zukommen lassen.

Über den Entwickler

Sean D'Epagnier kaufte 2009 sein erstes eigenes Segelboot, eine motorlose Bristol 27 von 1973. Zuerst segelte er von San Franzisco nach Mexiko und überquerte anschließend den Pazifik mit Zwischenstopps auf den Cookinseln und Tonga nach Neuseeland. Danach ging es über die Philippinen und Indonesien nach Malaysia. 

Sean auf seiner Kraken 33 (Deltaville, VA)

Bei der Überquerung des Indischen Ozeans machte er noch einen Zwischenstopp auf Mauritius, bevor es weiter um das Kap der guten Hoffnung und über die abgelegenen Südatlantikinseln St. Helena und Ascension in die Karibik ging. Nach 10 Jahren beendete Sean seine Weltumseglung an der US-Ostküste und kaufte sein aktuelles Boot, ein Trimaran vom Typ Kraken 33, ebenfalls motorlos und über 50 Jahre alt.

Seans Bristol 27 vor Anker auf den Philippinen 

Mit der Entwicklungsarbeit an den Autopiloten begann Sean bereits 2016. Drei Jahre später startete dann der Verkauf der ersten Modelle. Mittlerweile arbeitet er parallel an verschiedenen neuen Projekten. Unter Anderem soll die Produktpalette bald um einen Windsensor, ein Multifunktionsdisplay und verschiedene anderen Sensoren erweitert werden. 

Prototyp des neuen Windsensors, der auch den Pypilot mit Daten versorgen kann

Prototyp eines Multifunktionsdisplays zur Anzeige verschiedener Sensor- und Kursdaten

About the author

Matthias Rummel

Nach einer Jugend auf der Regattabahn kaufte Matthias gleich nach dem Abi seine erste kleine Fahrtenyacht. Seit 2020 ist er zusammen mit seiner Freundin Luisa auf Langfahrt. Mit Ihrer Sadler 34 "Wanderling" überquerte er 2022 den Atlantik und ist seitdem in der Karibik unterwegs. Die Reise dokumentiert er in regelmäßigen Videos auf seinem Youtube Kanal Eternal Sailing.


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