Im folgenden Kommentar geht Michael Herrmann auf mögliche Gefahren von Gleichstromsystemen an Bord ein. Bitte beachtet diese Hinweise und lasst eure Neuverkabelung im Zweifel einen Fachmann überprüfen!
Über den Autor
Michael Herrmann ist anerkannter Experte für technische Anlagen auf Sportbooten. Er hat sich als Autor beim Palstek einen Namen gemacht und mehrere Bücher zum Thema Yachttechnik geschrieben, unter anderem das Standardwerk „Elektrik auf Yachten“. (Jetzt in neuer Auflage als E-Book verfügbar!) Seit 2017 betreibt er die Seite Yachtinside.de. Mitglieder der Seite haben Zugriff auf eine Vielzahl an tiefgreifenden Artikeln über technische Anlagen auf Yachten.
Gefahren bei 12-Volt-Systemen
Spannung in Volt, Stromstärke in Ampere und Widerstand in Ohm () sind die Grundlagen jeder Elektrotechnik. Versteht man die Auswirkungen dieser und die Zusammenhänge zwischen diesen Eigenschaften, erhält man meist ein sehr klares Bild der Anlage. Dennoch gibt es einiges zu beachten.
Warum 12-Volt-Systeme oft unterschätzt werden
Die Stromstärke (Ampere) bestimmt die „Wirkung“ eines elektrischen Stroms. Je stärker der Stromfluss, desto mehr kann der Strom bewirken. Allerdings nicht nur Positives: Fließt zum Beispiel ein Strom über 30 Milliampere (Milliampere = 1/1.000 Ampere) durch den menschlichen Körper, kann dies tödliche Folgen haben.
Glücklicherweise hat der menschliche Körper einen recht hohen Widerstand, in der Regel über 1,5 Kiloohm ( k, 1.000 Ohm). Dies ist auch der Grund dafür, dass uns die 12 beziehungsweise 24 Volt aus der Bordnetzspannung kaum kitzeln; rechnet man hier nach dem Ohm‘schen Gesetz nach, fließen dann bei 24 Volt nur 16, bei 12 Volt nur 8 Milliampere.
Dies führt bei manchen Menschen dazu, dass die sogenannten „Kleinspannungen“, also alles unter 50 Volt Gleichspannung, nicht richtig ernst genommen werden – durch die direkten Auswirkungen des elektrischen Stroms können hier keine gravierenden körperlichen Schäden entstehen.
Die Gefahren liegen woanders
Zum Beispiel bei den Batterien. Selbst kleine Batterien enthalten Energiemengen, die der einer Tasse Benzin entsprechen. Kein Mensch käme bei funktionierendem Verstand auf die Idee, eine Tasse Benzin in die Bilge zu kippen und dann mit dem Feuerzeug nachzuschauen, ob dieses sich auch ordentlich verteilt.
Doch bei harmlos wirkenden Batterien werden – ohne viel nachzudenken – zum Beispiel unmittelbar nach einer Ladung die Ladekabel abgeklemmt, was häufig zu einem kleinen Funken führt. Das kann zwar tausend Mal gut gehen, aber jedes Jahr verlieren mehrere Bastler in Deutschland ihr Augenlicht, weil durch den kleinen Funken das Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch in und um die Batterie entzündet wird.
Daraus ergeben sich ein paar Sicherheitsregeln:
Regeln für den Umgang mit Batterien
- Nach dem Laden mit nicht fest angeschlossenen Ladegeräten erst das Ladegerät abschalten und einige Minuten warten, bis die Klemmen abgezogen werden!
- Keine Werkzeuge auf einer Batterie ablegen!
- Keine Werkzeuge in Taschen oberhalb der Gürtellinie verstauen!
- Keine Werkzeuge so ablegen, dass sie auf eine Batterie fallen können!
- Bei Arbeiten an der Elektroanlage keinen Schmuck (Ringe, Armbänder, Halsketten usw.) aus Metall tragen!
Auch wenn der Strom aus Batterien keine direkten körperlichen Schäden verursachen kann, können die mittelbaren Folgen um so schlimmer werden. Werden aus Versehen bei der Arbeit an der Anlage neue Kabel eingezogen und „probeweise“ an eine Spannungsquelle angeschlossen, können innerhalb von Sekundenbruchteilen durch einen Kurzschluss massive Schäden durch die Hitzeeinwirkung des schmelzenden Kabels ausgelöst werden. (Siehe auch dieses Beispiel eines Kabelbrands an Bord.)
Darum gilt: Bei allen Arbeiten am System sollten die Batterien abgeklemmt sein.
Um die Gefahren noch einmal zu verdeutlichen: Ganz normale Bleibatterien können ohne große Mühe bei einem Kurzschluss über 1.000 Ampere abgeben. Zum Vergleich: ein Einfamilienhaus ist üblicherweise mit 50 Ampere abgesichert!
Absicherung der Anlage
Um bei Fehlern in der Anlage oben erwähnte Schäden zu vermeiden müssen alle Leiter entsprechend ihres Querschnittes abgesichert sein. Hier ein paar Begriffe, die wir in den weiteren Kapiteln aufgreifen werden:
Kurzschluss
Als Kurzschluss bezeichnet man eine direkte Verbindung zwischen Plus- und Minuspol des Systems. Dabei wird die Stromstärke (in Zukunft: der Strom) nur vom Widerstand der Leiter und dem Innenwiderstand der Stromquelle bestimmt – hier können besagte mehrere Tausend Ampere fließen. Damit dadurch keine Schäden entstehen, müssen Kurzschlussströme innerhalb von Millisekunden abgeschaltet werden.
Überstrom
Überströme hingegen überschreiten lediglich den für den Stromkreis zulässigen Strom, zum Beispiel wenn in einem Leiter mit einem Querschnitt von 1,5 mm² mehr als 12 Ampere fließen. Hier erfolgt die Reaktion der Sicherung oder des Schutzschalters erst nach einer gewissen Zeit – je größer der Überstrom, desto schneller wird abgeschaltet. Man sagt: Der Überstrom- und Kurzschlussschutz bildet das Verhalten des Leiters nach – das Schaltelement erwärmt sich entsprechend der Leitererwärmung und schaltet den Strom ab, wenn es für den Leiter gefährlich wird.
Sicherungen und Schutzschalter
Sicherungen sind Überstromschutzelemente mit einem Schmelzeinsatz. Dieser wird bei einer Überstromsituation zerstört, die Sicherung muss ausgetauscht werden. Schutzschalter hingegen arbeiten mit einer thermischen (temperaturgesteuerten) oder einer magnetischen Auslösung (oder einer Kombination davon) und können wieder eingeschaltet werden, wenn die Überstromsituation nicht mehr besteht.
Der Begriff „Automaten“ war eigentlich für Leitungsschutzschalter im Wechselstromnetz gebräuchlich, heute haben sich dafür die Begriffe „Schutzschalter“ oder „Leitungsschutzschalter“ eingebürgert. Wo wir gerade dabei sind: Leitungsschutzschalter aus dem Wechseltromnetz dürfen nur dann im Gleichstromnetz verwendet werden, wenn sie ausdrücklich dafür zugelassen sind. Die (meist billigen) Standard“automaten“ sind nicht mit einer für Gleichtrom erforderlichen Lichtbogenlöschung ausgestattet und können bei hohen Kurzschlussströmen versagen.
Schutz von Leitern
Womit wir bei einem weiteren Punkt der technischen Entwicklung angekommen wären: Die hier beschriebene Absicherung soll ausschließlich die im Schiff verlegten Leiter schützen.
Uns zwar so, dass sie nicht über den zulässigen Strom beansprucht werden können – Ziel: Verhinderungen von Bränden durch überlastete Kabel (so stand es auch in der alten Fassung der DIN EN ISO 10133 – Kleine Wasserfahrzeuge – Gleichstrom -(DC)-Systeme).
Dem gegenüber steht der Geräteschutz: Dabei sollen die Stromstärken so begrenzt werden, dass die angeschlossenen Geräte vor zu hohen Strömen geschützt werden. Dies wird heute durch gerätespezifische Absicherung erreicht, etwa durch eingebaute Sicherungen oder sogenannte „fliegende“ Sicherungen im Geräteanschluss. Vermischt man beides, weiß irgendwann niemand mehr, wie die Leiter bemessen wurden – bezieht sich die 8-Ampere-Absicherung nun auf den Leiterquerschnitt von eventuell 1 mm² oder doch auf das Funkgerät, während das Kabel vielleicht einen Querschnitt von 2,5 mm² aufweist und locker noch einen Fernseher versorgen könnte?
Darum gilt: Eine Vermischung von querschnittsbasierendem Leitungsschutz und Geräteschutz sollte unbedingt vermieden werden.
Also: Nicht die Verbraucher werden im Gleichstromsystem abgesichert, sondern nur die Leiter – entsprechend ihrem Querschnitt. Schutzschalter sind heute – von wenigen Ausnahmen abgesehen – so ausgeführt, dass man den Schaltzustand erkennen kann – man benötigt keine zusätzlichen Anzeigeelemente.
Anmerkung zum Schluss: Alle nicht mit Masse (Erde) verbundenen stromführenden Leiter müssen abgesichert sein! Also in vollständig isolierten Systemen auch die Minusleiter!