Dies ist der zweite Teil der Serie zum Refit des Fischkutter’s Hannes.
Cuxhaven schien mir gar nicht weit weg von Büsum zu sein. Aber die jetzt vornehmlich an den Wochenenden stattfindenden Fahrten mit dem Auto oder Zug waren doch nervig. Unter vier Stunden für eine Fahrt ging nur selten etwas.Und eine Fährverbindung zwischen Brunsbüttel und Cuxhaven gab es leider noch nicht wieder.Also habe ich die ersten Holzarbeiten bei mir in der Garagenwerkstatt durchgeführt. Erster Punkt auf der langen Liste: Es galt, dem Ruderhaus wieder Türen zu geben. Hier hatte der Vorbesitzer einfache Holzplatten gestellt und mit Zwingen provisorisch gesichert.
Die Ruderhaustüren im Rohbau
Ich wohne in einem kleinen Dorf in Dithmarschen, rund 20 Km entfernt von Büsum. In Büsum habe ich mir bei Fischkuttern angesehen, wie deren Türen so aussehen. So entstehen zwei neue Türen mit einem Rahmen aus Lärchenholz, Sperrholzfüllungen und Plexiglas-Scheiben. Nach der Grundierung werden diese weiß gestrichen und mit Beschlägen aus Edelstahl montiert
Die neue Tür auf der Steuerbordseite
Landstromanschluss
Sieht doch gleich ganz anders aus! Bei der Gelegenheit wurde dann gleich auch der mehr als provisorische Landstromanschluss entfernt und durch eine 230V-Verteilung mit FI-Schalter, Brandschutzschalter und Sicherungen ersetzt. Der Landstromanschluss ist jetzt eine CEESteckdose, witterungsgeschützt an der Rückseite des Ruderhauses.
Die neue Landstrom-Verteilung
Zwei Leuchtmelder zeigen auf einen Blick, ob der Landstrom anliegt (links) bzw. ob die 230V im Boot vorhanden sind (also nach den Schutzschaltern). Ein einphasiger Verbrauchszähler hilft ein wenig dabei, den Stromverbrauch abschätzen bzw. kontrollieren zu können.
Der Landstromanschluss und die 12V-Verteilung am (provisorischen) Platz an der Ruderhaus-Rückwand
Die Anschlussleitungen für den Landstrom (in Längen von 20 und 5 Metern) entstanden aus orangefarbenen Baustellenkabel. Auch die an Bord verlegten 230V-Leitungen werden konsequent aus diesen sehr widerstandsfähigen und auffälligen Baustellenkabel gebaut, um jede Verwechslung mit 12/24 Volt Leitungen auszuschließen.
Noch ohne CEE-Steckdose, aber mit neuer Tür
Und wie sah es im Ruderhaus aus? Hier haben sich wohl mehre Vorbesitzern ausgetobt und ihre Meinung von Bordelektrik, Instrumenten und Verkabelungen verwirklicht (Abbildung 8). Immerhin gab es schon eine selbstgebaute, zentrale 12V-Schalttafel mit Sicherungsautomaten. Auch die Reste einer Sicherungsüberwachung mit Led-Anzeige sind noch zu finden. Mach‘ neu. Es gab wohl mal einen großen, kardanisch aufgehängten Kompass. Der ist aber leider weg. Geblieben ist aber das große Steuerrad (rund 70 cm Durchmesser). Wäre großartig gewesen, wenn die alte Seilsteuerung noch vorhanden gewesen wäre. So ist das Steuerrad erst einmal leider nur Deko, soll aber aufgearbeitet und wieder verwendet werden.
Ansonsten: Blankes Chaos, Kabelverbindungen nicht nachvollziehbar und mit falschen Querschnitten. Also: raus damit, mach‘ neu.
Provisorisch wird erst einmal eine gebrauchte 12V-Kfz-Batterie angeschlossen, mit einem neuen 230V-Ladegrät. Damit funktionieren einige 12V-Verbraucher wieder, insbesondere die alte Bilgenpumpe kann laufen, um kleinere Mengen an Regenwasser abzupumpen.
Falls das alles mal funktioniert hat, ist das lange her
Auf der Abbildung oben ist links unten neben dem Steuerrad ein Original Reintjes-Schaltgerät für Motor und Getriebe zu erkennen. Muss aufgearbeitet werden, kommt also auf die schon mehrfach erwähnte Liste.Auf dem Dach des Ruderhauses liegt eine Photovoltaik-Platte, für die ich einen einfachen Laderegler und eine 53Ah-Kfz-Batterie einbaue. Funktioniert einwandfrei, ebenso wie das für wenige Euro erstandene Signalhorn auf dem Dach. Trööööt! Es geht voran. Immer nerviger wird aber im Spätsommer die Pendelei zwischen meinem Wohnort und Cuxhaven. Ob es wohl eine Möglichkeit gäbe, das Boot nach Büsum zu schleppen, frage ich auf der Werft. Und die sagen: mal sehen, wir kennen da jemanden, der das vielleicht macht. Wow, das wäre großartig.
Raus aus dem Wasser – das erste Mal seit Jahren
Aber jetzt soll das Boot (das übrigens seinen Namen HANNES noch nicht am Rumpf trägt), aus dem Wasser, auf den Slip. Bietet sich an, denn das Boot liegt im Werftbereich und so gibt es nicht nur die Chance, den Rumpf zu reinigen und neu zu streichen, sondern es kann auch sehr genau kontrolliert werden, ob die Acryl-Einhausung nicht doch eher ein „Leichentuch“ ist.
Am 17.07.20 In Cuxhaven: warten auf den Slip
Die (Hochdruck-) Reinigung übernimmt die Werft – ein Fest für die vielen wartenden Möven. Es ist schon beeindruckend, wie bewachsen der Rumpf ist!Und die Einhausung scheint auch kein Leichentuch zu sein. Glück gehabt.
Ruderblatt vor…
…und nach der Arbeit mit dem Hochdruckreiniger
Leider stellt sich jetzt aber heraus, dass das Ruderblatt ein Höhenspiel hat, also einen Lagerschaden. Hier muss die Werft ran. Ausbauen, reparieren und wieder einbauen. Teurer Spaß.
Meine Tochter Anne
Späterer Neu-Kapitän und Freund Jens Preusler
Ruder und Propeller nach der Überholung
Bei solchen Arbeiten bekommt man erst einmal einen Eindruck davon, wie groß dieses Boot tatsächlich ist. Aber mit dieser tatkräftigen Hilfe ist das alles dann doch zügig erledigt. Auch wenndabei der weiße Latz (siehe dieses Bild, da gab es den noch) leider auf der Strecke bleibt. Ein- und Zweikomponentenfarben vertragen sich tatsächlich nicht wirklich…Zur Reparatur des Ruderblattes bleibt das Boot einige Tage auf dem Slip. Genug Zeit, den Rumpf noch einmal genau auf Beschädigungen oder Ablösungen der Acryl-Einhausung zu kontrollieren. Sieht aber weiterhin alles gut aus.
Neuer Anstrich – noch mit weißem Latz (28.07.2020)
In den folgenden Wochen gab es viel Gelegenheit, meine lange Liste weiter abzuarbeiten. Es kamen aber auch viele neue Aufgaben dazu. Viele dieser Arbeiten kann ich in meiner Garagenwerkstatt vorbereiten und baue das dann in Cuxhaven ein.
Der Motor soll laufen!
Auch die Werft ist weiter aktiv: Das sehr lange Abgasrohr wird inkl. Schwingungsdämpfer (ein LKW-Bauteil) montiert und ich konnte die Kühlwasserversorgung (Meerwasser) einbauen, allerdings noch ohne den großen Edelstahl-Seewasserfilter aus dem Fundus.
Der gewaltige MODAG RB43 mit seiner riesigen Schwungmasse und neuen Laufbrettern
Der MODAG RB43 (Abbildung 13) hat mich besonders fasziniert, dahier eine sehr alte Technik „auf Schlag“ zum Laufen zu bringen warund es zumindest so aussah, als könnte ich mit dieser Maschine meineTörns fahren. War leider aber nicht so. Dazu später mehr.
Motoren des Herstellers MODAG waren (oder sind?) Antrieb der sogenannten Kriegsfischkutter (KFK), dann allerdings eher in der 5-Zylinder-Version RB45, auch hier je Zylinder 30 PS. MODAG Motoren sind Zweitakter und Langsamläufer, so wie heute auch noch die meisten großen Schiffsmaschinen langsam laufende Zweitakter sind.Aber woher Unterlagen zu diesem Motor bekommen? Fündig wurde ich im Historischen Dieselmotorarchiv. Hier bekam ich sogar die Original-Betriebsunterlagen.
Der „Type RB“ wurde über viele Jahre nach Plänen aus den zwanziger Jahren (!) gebaut. Warum aber gerade in meinem Boot ein RB43 und dann auch (laut Plakette) aus dem Jahr 1944 eingebaut wurde – unbekannt. Auch sonst kenne ich die Historie dieses Bootes nicht.
Und es kam der Tag, an dem alle Vorbereitungen für den nächsten Motorstart abgeschlossen waren.Und wieder läuft der große Kompressor (der beim Kauf dabei war und bis zu 20 Bar erzeugen kann) und lädt die große Druckflasche bis 16 Bar. Sollte reichen.Und der Motor läuft! Das Abgas geht dahin, wo es soll. Das Kühlwasserläuft. War aber nicht billig, das Ganze!Die Werft montiert dann auch vier massive Klampen, um vernünftigeund vor allem feste Anschlagpunkte für Festmacher zu haben.
Wann geht’s endlich nach Büsum?
Dies war der zweite Teil von Peter Samulats Buch „Ich hab‘ mir einen alten Fischkutter gekauft„.
Kleiner Hinweis: Wenn da kein Trenntrafo vorgeschaltet ist, entspricht die 230-V-Anlage nicht der ISO 13297.Der (zweipolige) Hauptschutzschalter fehlt – falls er nicht woanders installiert ist -, und die Stromkreise müssen mit zweipoligen Schutzschaltern abgesichert sein.