Es ist schon gewaltig, was an Zeit und Geld in so ein altes Boot gesteckt werden kann – oder besser gesagt: muss. Und so hat die Filmkomödie „Geschenkt ist noch zu teuer“, die ich ja schon im ersten Teil meines Tagebuchs als Vergleich heranzog, immer noch große Parallelen zu dem, was mein „Bastlerboot“ erfordert.
Mit soliden Zweifeln an dem Erfolg meiner Arbeit starte ich in dieses neue Jahr. Viel Geld und Zeit musste ich schon in meinem Projekt versenken – und ein Erfolg ist noch nicht in Sicht. Im Gegenteil, denn ich erlebe in diesem Jahr auch, wie andere Projekte ähnlicher Art grandios und tragisch scheitern.
Ich denke da an den mehrmaligen Untergang der beiden, ebenfalls im Privatbesitz befindlichen, umgebauten ehemaligen Kutter MÖVE und SEETEUFEL I im Büsumer Hafen und, nach langer Zeit der Unsicherheit, deren von den Behörden angeordneten Verholung an Land.
Sicherlich hatten hier engagierte Eigner ganz andere Hoffnungen in den Erfolg ihrer Projekte gesetzt, und sind letztendlich gescheitert.
Oder, als weiteres Beispiel, das Schicksal des Seglers EURYBIA, mit dem ich im Jahr 2021 lange Zeit im „Päckchen“ im Büsumer Hafen lag: Der Eigner ist weg, das Boot wird vernachlässigt. Wasser dringt ein und letztendlich droht es mehrfach an seinem Liegeplatz unterzugehen. Mehrere Lenzpumpen können das gerade noch verhindern. Trotzdem steht das Wasser zeitweise in der Kajüte bis Höhe der Tischplatte. In einer sehenswerten Notaktion muss das Boot ins Trockene geholt werden, auf Kosten des Eigners.
Nur der ist nicht erreichbar.
Heute, auf rund zwei Jahre als Bootsbesitzer zurückblickend, ist meine ganze Aktion schon mehr als gewagt gewesen und bleibt dies auch weiterhin.
Ob gerade ICH wirklich zum Ziel kommen werde?
Für das bisher schon investierte Geld hätte ich mir auch eine schöne, weiße Yacht kaufen können. Sofort fahrbereit und top ausgerüstet.
Aber ich wollte es ja anders.
Und so geht es in diesem zweiten Band auch wieder um Höhen und Tiefen, wie ich sie im jetzt zuende gehenden Jahr 2022 erlebt habe. Die größte Herausforderung ab Jahresbeginn ist sicherlich, den „neuen“ Motor endlich zum Laufen zu bringen und dann auch mal aus eigener Kraft fahren zu können. Mein Ziel für 2022: Einmal nach den Klängen von Rammsteins „Sonne“ durch die Büsumer Schleuse, raus in den Vorhafen, und wieder zurück. Aus eigener Kraft.
Und ich habe mir auch vorgenommen, viele der Teile, die beim Kauf beim Boot dabei waren (mein „Fundus“), so wieder zu verwenden, dass ein früherer Zustand, so weit wie möglich und sinnvoll, wieder hergestellt wird.
Da sind viele Teile einer Gaffeltakelung. Nun bin ich kein Segler, und habe erst recht keine Ahnung von dem Rigg eines kuttergetakelten Arbeitsbootes. Denn so etwas war mein HANNES wohl irgendwann mal.
Jedes Boot hat seine Geschichte, aber auch meins?
Wo wurde das gebaut, was ist seine Geschichte? Können vielleicht Museen oder Museumshäfen weiterhelfen? Ich werde viele anschreiben und um Informationen bitten, basierend auf aktuellen Fotos und den mir bekannten, wenigen Schiffsdaten. Meine Vermutung ist es, dass HANNES als Arbeitsboot ohne die Einhaltung der Vorschriften für gewerbliche Boote entstanden ist. Wohl aus Teilen, die für einen Kriegskutter bestimmt oder übrig geblieben waren. Das Baujahr könnte 1957 gewesen sein, so steht es zumindest auf der Plakette des jetzt ausgebauten MODAG Motors.
So richtig bin ich da bisher nicht weitergekommen.
Und so findet meine Geschichte ihre Fortsetzung und bleibt eine Mischung aus liebevollem Wahnsinn, Selbstüberschätzung, fehlendem Fachwissen, unzählbaren Arbeitsstunden und viel Geld.
An dieser Stelle wieder mein großer Dank an Petra, der besten Ehefrau von allen, die mir liebevoll wohlwollend, aber immer auch kritisch mit dem Blick auf‘s Geldversenken, zur Seite steht.
So ist auch dieses Buch wieder eine Mischung aus Tagebuch und Baubericht. Einige Themen sind „weit verstreut“. Ich habe so aber versucht, die vielen kleinen und großen Probleme und meine Lösungswege zu dokumentieren – auch als Hilfestellung für andere.
Und eines schon mal vorweg: Es gibt in diesem Jahr tatsächlich auch gute Nachrichten!
Winterpause?
Eigentlich ist jetzt Winterpause, aber bei Temperaturen um die zehn Grad noch im Dezember 2021 sind immer mal wieder Arbeiten auf dem Boot angesagt.
Und ich habe Hilfe bekommen: Jonas, Auszubildender zum Schiffsmaschinisten, geht mir bei den Arbeiten am Motor und Getriebe zur Hand. So werden alle Filter und die Keilriemen gewechselt. Die nicht mehr sehr gut aussehende Lichtmaschine wird abgebaut und durch ein gebrauchtes Exemplar ersetzt.
Jonas setzt auch an der Backbordseite den neuen Borddurchlass für die 24V-Bilgenpumpe und schließt den Verbindungsschlauch an. Damit sind jetzt zwei Bilgenpumpen an Bord, jeweils eine für 12V und eine für 24V. Muss ich nur noch verkabeln.
Jetzt fehlt an größeren Arbeiten eigentlich „nur noch“ die am Rumpf außenliegende Verrohrung des Motor-Kühlwassersystems. Dazu muss das Boot aber aus dem Wasser heraus. Ich plane, in diesem Zeitraum auch das Unterwasserschiff zu reinigen und neu mit Antifouling zu streichen.
Auf der Werft sagt man mir, dass das auch bei winterlichen Temperaturen möglich sei.
Anfang Januar 2022 soll das alles losgehen.
Auch den „neuen“ Suchscheinwerfer kann ich nun endlich anschließen.
Der Scheinwerfer funktioniert super und, so wie für andere Komponenten auch, zeichne ich einen Stromlaufplan, um eine spätere Fehlersuche zu erleichtern.
Da hat mich doch was gerammt
Da komme ich an einem schönen Winter-Samstag auf’s Boot und das erste, was auffällt ist, dass der Flaggenstock abgebrochen auf dem Achterdeck liegt.
Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass dies nur der kleinere Schaden war: Da muss mich irgendwann in den letzten Tagen ein anderes Boot gerammt haben, so lassen das zumindest die Abriebspuren am Hecksteven vermuten.
Der Steven ist direkt auf Deckshöhe komplett durchgebrochen. Das muss richtig geknallt haben!
Wer das war? Steht kein Name dran.
Schöner Mist! Auch auf der Werft hat niemand etwas bemerkt. Ich informiere den Hafenmeister und erstatte online Anzeige:
Mein zum Sportboot umgebauter, ehemaliger Fischkutter „HANNES“ liegt seit einigen Monaten zu Arbeiten am Motor auf der Werft Marscheider in Büsum. Ich bin regelmäßig auf meinem Boot, um dort ebenfalls zu arbeiten.
Nachdem ich am Samstag, dem 27.11., bis etwa 16:00 Uhr auf dem Boot war kam ich gestern (04.12.) ab etwa 09:00 wieder dorthin und musste feststellen, dass es einen erheblichen Anfahrschaden am Heck meines Bootes gibt:
– Flaggenstock aus der Halterung gerissen
– deutliche Lackschäden am Achtersteven
– roter Farbabrieb am Heck steuerbordseitig
– Hecksteven gebrochen
Besonders der gebrochene, massive Steven wird einen größeren Schaden darstellen und macht deutlich, dass das kein „kleiner“ Rempler war. Die roten Farbreste und auch (ein aus meiner Sicht) neuer, großer roter Farbabrieb an der nächstgelegenen Dalbe sind wohl Hinweise auf ein rotes Boot als Verursacher.
Ich habe den Werftbesitzer informiert. Er hat sich das angesehen, den Schaden bestätigt, und auch Fotos gemacht. Ich habe keinen Hinweis auf den Verursacher dieses Schadens, den ich auf viele Tausend Euro schätze, da wohl das Heck geöffnet werden muss. Ich hoffe mal, dass nicht auch noch das Ruder beschädigt ist.
Der Kostenvoranschlag der Landberg-Werft in Büsum beläuft sich dann auf über 13.000 €. Die Ermittlungen der Polizei laufen an und glücklicherweise übernimmt meine Versicherung den Schaden.
Aus dem Wasser!
Anfang Januar (mit um die 5 Grad Celsius war es noch unerwartet „warm“), geht HANNES zur Reparatur auf den Slip.
Hier starten jetzt auch die Reparaturarbeiten am Heck mit dem Aufbau eines Gerüsts. Anne, Jens und ich nutzen die Zeit zum Reinigen des Unterwasserschiffs, dem Beseitigen von Schäden in der Acryl-Einhausung und für die bei diesen Temperaturen noch möglichen neuen Anstrich mit Antifouling.
Stellt sich mir die Frage, mit welchem Polyesterharz die anstehenden Reparaturarbeit bei diesen Temperaturen noch erfolgen kann. Ich habe mich für das WEST SYSTEM 105/205 entschieden, denn diese Kombination soll schon ab 4 Grad verarbeitet werden können. Harz und Härter mische ich in kleinen Mengen genau nach Vorgabe in der geheizten Kajüte. Die schadhaften Stellen am Rumpf werden getrocknet, angeschliffen, mit einem Heißluftgebläse angewärmt und das Harz dann aufgespachtelt.
Das Heißluftgebläse kommt auch zum Einsatz, um den Bootsrumpf vor dem Anstrich mit Antifouling abzutrocknen.
Danke Anne und Jens für eure Hilfe!
Die Reparatur
Die Werft öffnet die Acryl-Einhausung im Heckbereich und jetzt erst wird deutlich, wie groß der Schaden tatsächlich ist. Es warten aber zum Glück keine weiteren Überraschungen auf mich und so beginnt der Wiederaufbau des Heckstevens.
Dafür werden mehrere massive Eichenholzbohlen mit Harz verleimt und der umgebende Bereich ebenfalls satt mit Harz getränkt, um die ganze Konstruktion zu stabilisieren.
Der Rumpfbereich seitlich des Stevens und der geöffnete Bereich des Achterdecks werden ebenfalls mit Harz versiegelt.
Dies war der achte Teil von Peter Samulats Buch „Ich hab‘ mir einen alten Fischkutter gekauft„.