Takelung
„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“ (Aristoteles, 384 – 322 v. Chr.)
Die beim Kauf vorhandenen Holzteile einer Gaffeltakelung und vor allem die zwei noch recht gut erhaltenen, braunen Segel sollen jetzt wieder zum Einsatz kommen, um HANNES zumindest das Aussehen eines Motorseglers zu geben. Beispiele dazu gibt es viele im Internet und auch der eingangs erwähnte SEETEUFEL I (den es leider nicht mehr gibt) hatte so eine ähnliche Takelung.
Da der Großbaum schon montiert ist beginne ich damit, die Großschot einzubauen, für die alle benötigten Teile schon seit langem bereit liegen.
Gleichzeitig muss der Traveller an seinem Platz auf dem Maschinenraumdeckel kommen, um dann die Großschot-Talje dort anschlagen zu können.
Die vorhandenen Segel bieten vielleicht auch eine Möglichkeit, doch noch etwas über die Historie des Bootes herauszubekommen.
Beide Segel haben das Logo der Segelmacher Hinsch und Ruhland, Glückstadt. Die Firma existiert zwar nicht mehr, aber ich finde noch einen Ansprechpartner.
Aber leider gibt es auch hier keine Informationen für mich: Aufzeichnungen existieren nicht mehr und die letzte Person, die noch etwas dazu hätte wissen können, ist verstorben.
Planung des laufenden Gutes
Mit einer Montageskizze versuche ich herauszubekommen, wie viele einfache und doppelte Rollen ich tatsächlich benötige, wo die montiert werden müssen und (in etwa) wie viele Meter Tauwerk ich wohl benötigen werde.
Mit schwarzen Punkten markiere ich die Rollen, die einen Hundsfott haben müssen.
Klar wird, dass es hoch hinaus gehen wird bei der Montage der Rollen am Mast. Ohne Hubsteiger wird das nicht gehen.
Die vorhandenen 4“- Schiffsblöcke sind für 10-12mm Tauwerk geeignet. Bei Toplicht bestelle ich eine 110m-Rolle „ROBLINE® SPUNFLEX Tauwerk, Stärke 10mm“. Im Toplicht-Katalog heißt es dazu:
„Ein Allround-Tauwerk aus der Markenfaser SPUNFLEX. Bewährt für Traditionsschiffe und Gaffelsegler. (…) 3-schäftig fest geschlagen, ist das Tauwerk gut spleißbar und im Aussehen wie Tauwerk aus Manila-Hanf. Es ist jedoch schwimmfähig, verhärtet im Gebrauch nicht und hat wenig Reck.“
Passende Kauschen aus Edelstahl bestelle ich gleich mit. Ich weiß ja, dass Jonas so etwas einspleißen kann.
Großbaum und Großschot
Die dreischeibige Talje für den Großschot wird vorbereitet für den Einbau. Die beiden großen Rollen und mit passendem Seil kommen von dem ehemaligen Büsumer Segler LUDWIG, der leider nicht mehr existiert. Gefunden hatte ich das alles schon über ebay Kleinanzeigen im letzten Jahr und den Winter über habe ich die Rollen gesäubert und neu lackiert. Jonas hat auch schon eine Kausche eingespeißt, mit dem das Seil am Hundsfott einer Rolle angeschlagen werden kann.
Jetzt soll das endlich alles an seinen Platz kommen. Dazu muss die Travellerschiene montiert und die Befestigung der oberen Rolle am Großbaum gebaut werden.
Die Bodenplatten der Travellerschiene sind durch das Schweißen etwas verzogen und liegen nicht plan auf dem Holz auf. Das lässt sich aber durch ein „Fundament“ aus Epoxidharz beheben. Hier kommt eins Füllstoff zum Einsatz, der das Harz extrem hart werden lässt.
Dazu werden die Füße des Travellers mit einem Trennband abgeklebt, das Ganze dann mittels kleiner Keile ausgerichtet und auf ein paar „Klumpen“ aus angedicktem Epoxidharz fixiert.
Nach dem Aushärten wird der Traveller noch einmal abgenommen.
Die Fundamente modelliere ich jetzt entsprechend nach den Abdrücken im Epoxid so, dass eine plane Auflagefläche entsteht. Danach wird der Traveller wieder ohne Trennband aufgesetzt, fixiert und die Kanten der Fundamente geglättet.
Nach dem Aushärten wird der Traveller auf den Fundamenten verschraubt (durchgebolzt).
An den vorhandenen Beschlag für den Großbaum schweißt mir Marco noch eine mittig platzierte Öse als Festpunkt an.
Die zwei schon vorhandenen Ösen deuten darauf hin, dass HANNES früher keinen Traveller hatte und eher mit seitlich geführten Schoten gearbeitet wurde. Zu spät gesehen, sonst hätte ich das wohl auch wieder so gebaut.
Ok, bei HANNES ist das jetzt so und bleibt auch so. Auch, wenn die Großschot die Sicht aus dem Steuerhaus nach vorne etwas einschränkt.
Montage der Gaffelspiere
Der Moment ist gekommen, wo auch die vorhandene Gaffelspiere montiert werden kann.
Der Zustand der Spiere ist, bedingt durch die lange Lagerung auf dem Boden, nicht mehr gut. Aber noch gut genug, um das Aussehen einer Gaffelbesegelung zumindest anzudeuten. Ich gehe nicht davon aus, dass HANNES jemals das Großsegel setzen wird. Da müssten u.a. vorher Großbaum und Gaffelspiere erneuert werden.
Die Gaffelspiere war erst einmal nur provisorisch einfach angeschlagen, konnte aber schon mal testweise von zwei Personen in die vorgesehene Position gefiert werden. Sieht super aus!
Ich besorge mir jetzt die für die Gaffelklau notwendigen sechs aus Eschenholz gedrechselte Korallen (toplicht.de), die ich in meiner Werkstatt noch vor dem Aufziehen lasiere und lackiere.
Hoch hinaus: Kran- und Rollenmontage am Mast
Jonas hat das Tauwerk abgelängt und dort wo notwendig, Kauschen eingespleißt. Jetzt müssen die Rollen an ihre Plätze im Mast.
Ohne Hubsteiger geht das nicht.
Anne und Jens montieren die Rollen an dafür bereits vorhandenen Beschlägen am Mast. Und, bei der Gelegenheit, wird auch gleich noch die Elektrik am Masttopp überprüft und Kabel fixiert.
Anne hat viel Spaß daran, mich dem „Hup-Steiger“, also dem Signalhorn des Gerätes, immer wieder anzutreiben.
Hat Spaß gemacht!
Da das Tauwerk noch nicht vollständig montiert werden kann, werden Hilfsseile (4mm Flaggenleine) eingezogen, mit denen später die eigentlichen Seile über die Rollen gezogen werden können – ohne noch einmal den Hubsteiger zu bemühen.
Das Hubkonzert bei der Montage der Rollen hat aber leider auch dazu geführt, dass ich, davon abgelenkt, zwei Rollen vertauscht habe. Der höhenfeste Jonas ändert das im Bootsmannstuhl, den haben wir uns von der Werft ausleihen können.
Zu zweit ziehen wir Jonas in den Mast. Er wird zusätzlich gesichert durch ein weiteres Seil.
Fockbaum und Baumfock
Dann liegt da noch eine weitere Spiere, mit dazu im Durchmesser passenden Beschlägen. Könnte ein Fockbaum sein. Nur wie wird der montiert?
Hilfe bekomme ich (wieder einmal) über boote-forum.de:
„Ein Fockbaum (für die Baumfock) ist ein Ding, das in Schienbeinhöhe über das Deck wischt. Er hat sich so zu Recht nicht durchgesetzt, zumal man Selbstwendefocks auch ohne Baum bauen kann (siehe Zeesboot).
Der Fockbaum bekommt etwas lümmelbeschlagähnliches in der Nähe des Vorstages und des Bugbeschlages.
Baumfocks sind für Boote, die schmale Fahrwässer aufkreuzen. Sie sind nichts für Boote, auf denen das Vorschiff Arbeitsplattform ist.
Eine Baumfock ergibt auf einem Kutter keinen Sinn.“
Und in Wikipedia fnde ich:
„In sehr seltenen Fällen finden sich auch Fockbäume zum Aufspannen (Aussteifung des Unterlieks ) der Fock, des gebräuchlichsten Vorsegels auf Yachten, die normalerweise ohne Baum gefahren wird.“
Hilft mir alles noch nicht so wirklich weiter. Ich suche weiter und werde dann doch noch auf einer Webseite fündig:
„Befestigung des Baumes unmittelbar am Vorstag. Der Beschlag, der eine Drehung des Fockbaumes nach allen Seiten erlaubt,
damit die Baumfock sich hin und her bewegen kann, darf sie natürlich nicht wie sonst üblich bis hinter den Mast reichen und muss deshalb oft etwas kleiner und damit etwas weniger wirksam sein.
Damit ist klar, wie mein Fockbaum zu montieren ist.
Nagelbank und Belegnägel
Hatte ich erst noch überlegt, die Festpunkte für das laufende Gut am Mast zu befestigen, so wird schnell klar, dass es ohne an den Wanten befestigte Nagelbänke nicht geht. Die Seile würden sich sonst verhaken und „schamfielen“.
Also: Ich brauche zwei Nagelbänke und etwa 10 Belegnägel. Auch hier geht es nicht ohne Recherche:
„Ein Belegnagel, Coffeynagel oder Koffienagel taucht in fast jedem alten Seefahrts- oder Piratenroman auf.“ (toplicht.de)
„Der Belegnagel ist ein loser Holzstift auf einem Segelschiff, an dem man unter anderem Seile für die Bedienung der Segel festmacht. Die Belegnägel werden in einer sogenannten Nagelbank, einem Balken, angereiht, wo die unterschiedlichen Seile zusammenkommen. Die Seile befestigt man mit dem sogenannten Kreuzschlag und dem Kopfschlag.“
Diese gerne auch als „Meinungsverstärker“ (im Sinne von Zuschlagen) bezeichneten Belegnägel gibt es z.B. bei Toplicht in vielen Größen zu kaufen. Aber, wie gesagt, mein Budget ist sehr knapp bemessen und so entsteht die Idee, die Nägel aus vorhanden Rohlingen selber zu drechseln.
Kann doch nicht so schwer sein…?
Nachdem ich die groben Maße „meiner“ Belegnägel festgelegt habe mache ich mich aber zunächst einmal an den Bau der beiden Nagelbänke.
Ich möchte die so bauen, dass die zweiteiligen Bänke so an den vorhandenen Wanten fixiert, d.h. klemmend verschraubt werden, dass die Belegnägel sicher gehalten werden.
Öffnungen sollten dann für 5 bis 6 Belegnägel vorhanden sein. Das sollte für das Tauwerk mehr als ausreichend sein, inklusive der beiden Flaggenleinen.
Die Bohrungen für die Stahlseine und die Belegnägel kann ich dann in meiner Garage setzen.
Die beiden Balkenstücke der Nagelbank bekommen dann noch Fräsungen an den Kanten und werden lasiert und lackiert.
Und dann geht es an die Drechselbank. Aus Reststücken entstehen die ersten, noch etwas einfache Nägel. Dabei probieren Jens und ich auch verschiedene Holzsorten aus: Eiche, Buche und – wenn nichts anderes da wäre – auch noch Lärche gehen gut.
Die erste Anprobe in den beiden neuen Nagelbänken ist erfolgreich. Die großen Belegnägel sind für das Tauwerk der Takelung, die kleinen für die Flaggenleinen.
Die Nagelbänken beschränken jetzt zwar etwas den Durchgang neben der Kajüte – aber dafür lassen sich hier alle benötigten Seile sicher befestigen. Und bei Bedarf auch schnell wieder lösen.
Und auch an der Drechselbank werden die Ergebnisse besser: Waren die ersten Nägel noch sehr einfach geformt, so entstehen jetzt welche, die den professionell hergestellten Nägeln kaum noch nachstehen.
Alle Belegnägel werden mehrfach geölt.
Webeleinen auftakeln?
Gerade bei älteren Booten sind immer mal wieder aus Tauwerk gebaute „Leitern“ zu sehen, die einen Aufstieg in den Wanten ermöglichen.
Diese Webeleinen oder auch Enterwanten müssen dazu aber schon sehr fest an den Wanten fixiert sein, was bei den glatten 10mm-Stahlseilen von HANNES nahezu unmöglich ist:
„Wenn Sie dünne Wanten aus rostfreiem Stahl besitzen, werden die Zurrings der Webeleinen abrutschen. Man könnte den Draht aber rutschfester machen, indem man in mit kräftigem Textiltape umwickelt, bevor man den Zurring beziehungsweise den Webeleinsteck aufsetzt. Einfaches Isolierband ist weniger geeignet. Es ist zu glatt“
Auch haben diese Webeleinen Nachteile: noch mehr Gewicht, noch mehr Windwiderstand.
Trotzdem versucht Jonas sein Glück und baut versuchsweise eine Webeleine ein. Wie erwartet lässt die sich aber nicht gut fixieren und rutscht bei Belastung sofort weg.
Geht also nicht.
HANNES bekommt keine Webeleinen.
Dies war der fünfzehnte Teil von Peter Samulats Buch „Ich hab‘ mir einen alten Fischkutter gekauft„. Wie es weitergeht erfährst du hier im nächsten Teil des Refit-Berichts..